Sangitar: Ich finde es etwas schwierig, die richtige Antwort darauf zu geben, da es zwei verschiedene Blickwinkel darauf gibt. Ich glaube, wenn mir persönlich so etwas passieren würde, würde ich es aus diesen zwei Blickwinkeln betrachten: Der erste Blickwinkel ist nun mal Trauer und Schmerz. Wenn du traurig bist, bist du traurig und wenn du Schmerz trägst, dann trägst du Schmerz und ich finde es nicht richtig, diesen Schmerz zu unterdrücken oder zu versuchen, ihn sofort aufzulösen. Es kann auch etwas Heilsames haben, durch diesen Schmerz hindurchzugehen – ich glaube, das ist gut und ein Stück weit normal, durch Trauer und Schmerz hindurchzugehen.
Es hat auch den Vorteil, dass man sich mal eine kleine Zeit lang als Opfer betrachten kann. Selbstmitleid kann ja auch mal ganz schön sein, so für eine kleine Weile (Sangitar schmunzelt) – und dann würde ich das Ganze aber wieder aus einem anderen Blickwinkel betrachten. Ich weiß, dass ich nach diesem Schmerz oder auch schon während des Schmerzes beginnen würde, den Blick in eine andere Richtung zu lenken. Ich würde mir bewusst machen, dass das, was auch immer da passiert ist, wahrscheinlich schon so richtig ist und etwas anderes in mein Leben tritt, was wichtig und richtig ist – und diesem Neuen würde ich mich auch hingeben.
Ich finde, dass unsere Bewertungen hinsichtlich bestimmter Dinge so festgefahren sind. Das versuche ich – und auch die Geistige Welt – immer wieder zu erklären. Man redet oft in Metaphern und manchmal sind wir Menschen einfach durch Worte so festgefahren in bestimmten Mustern, dass wir gar nichts anderes mehr zulassen.
Und natürlich ist es so: Wenn man seine Verantwortung abgibt, fühlt man sich als Opfer und gleichzeitig fühlt man sich aber auch schuldig, weil das Kollektiv sagt, dass man kein Opfer sein sollte, sondern es viel besser ist, wenn man in die Verantwortung geht – und das stimmt ja auch. Das ist alles richtig, aber manchmal ist es doch einfach schön, mal eine Stunde dazusitzen, sich etwas selbst leidzutun und zu sagen: „Oh Gott, wie bin ich arm.“ Das finde ich spirituell auch nicht schlimm, denn es ist etwas Menschliches – und ich finde, alles, was menschlich ist und was uns bewegt, das sollte man auch fühlen dürfen.
Das ist wie bei dem Erwachungsprozess. Ich werde sehr oft gefragt, was Erwachen eigentlich ist. Darauf möchte ich jetzt nicht näher eingehen, aber kurz gesagt, besteht Erwachen für mich persönlich immer noch darin, dass ich bestimmte Dinge fühle und sie dann aber aus einem ganz anderen Blickwinkel heraus betrachten kann – und dann löst sich dieses Gefühl auch auf. Das bedeutet für mich auch ein Erwachungsprozess und deswegen glaube ich schon, dass man menschliche Gefühle zulassen sollte – für eine gewisse Zeit.
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